Volkstrauertag - Erinnerungen

01.12.2022

Erinnerung an den Volkstrauertag

Seit 1952 wird  jährlich am 2. Sonntag vor dem ersten Advent der Volkstrauertag als stiller Feiertag begangen. In diesem Jahr war es der 13. November. 
Es war  ein Anlass inne zu halten vom Alltag mit all seinen Terminen, der gefühlt immer schneller vergeht…  Und auf einmal ist alles ganz still. Es trafen sich Abgeordnete der Stadt und einige wenige Bürger. Gedacht wurde den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft am Mahnmal auf dem Platz des Friedens und am Grab, stellvertretend für 6 gefallene Soldaten auf dem Friedhof Bad Sülze. Gesprochen haben die Bürgermeisterin, Frau Dr. Doris Schmutzer, ein Vertreter der Flugabwehrraketengruppe 24, die Pastorin Petra Bockentin und Leon Rinck. 
Sie erinnerten an die Geschichte, mahnten aber auch an die Geschehnisse der heutigen Zeit. Es kommt während dieser Zeremonie natürlich vor, dass Passanten vorbei gehen. Manche halten ebenfalls inne und bleiben stehen. Andere schütteln wie in diesem Jahr voller Unverständnis den Kopf. In eigener Sache merke ich an, dass es ein jährlicher Tag der Besinnung ist. Natürlich begehen wir den Totensonntag als Gedenktag für die Verstorbenen unserer Familien. Aber wenn mein Schwiegervater als 11jähriger  allein mit Mutter und Schwester auf der Flucht dabei zusehen musste, wie eben diese mehrmals vergewaltigt wurden, dann sind auch das Opfer des Krieges. Diese Ereignisse hatten wesentliche Auswirkungen auf den Charakter und das Leben aller beteiligten Personen, auch auf unsere Familie. Wenn dann die Mutter völlig entkräftet an Diphterie stirbt, ist auch sie Opfer des Krieges. Ein Sohn meiner Großeltern fiel im Krieg, ein anderer wurde wegen Epilepsie zwangsweise ins Krankenhaus gebracht und starb dort unter mysteriösen Umständen. In der Zeit wurde er mit dieser Krankheit als nicht lebenswert eingestuft und fiel der Anordnung zur Durchsetzung der Euthanasie zum Opfer. Die kleinwüchsige Tochter meiner Großeltern wurde seit ihrer Geburt versteckt um nicht ebenfalls zur „Behandlung“ zu müssen und überlebte dadurch den Krieg und gebar später zwei völlig gesunde Kinder. Haben nicht viele Familien solche oder ähnliche Geschichten erlebt oder erzählt bekommen? Um diesen und allen anderen Opfern zu gedenken, gibt es den Volkstrauertag. 
Und noch ein Gedanke. Wir leben in unserem kleinen Städtchen und in diesem Land sehr behütet. Ich fahre täglich mit meinen Pkw zur Arbeit und bin bereit den Preis an der Tankstelle und wo auch immer zu bezahlen, wenn mein Sohn nur nicht in einen Krieg ziehen muss, wie es in der Ukraine, in Russland und vielen anderen Orten gerade jetzt  auf der Welt passiert. Ich freue mich, dass meine Tochter als Frau und gerade als Frau ungestraft ihre Meinung sagen darf, laut singen kann und nicht ihre schönen Haare unter einem Tuch verstecken muss. All diese Dinge passieren in diesem Moment irgendwo auf der Welt und sind nicht so weit weg, wie wir immer denken. Uns geht es zu gut. Wir suchen im Supermarkt den perfekten Apfel, während mein Vater noch verprügelt wurde, weil er vor Hunger beim Nachbarn Äpfel geklaut hatte während des Krieges.  
Die Gesundheit für all unsere Lieben, genug zu essen für alle Bedürftigen, ein respektvoller, höflicher Umgang miteinander und der Schutz unserer Natur sollten das Wichtigste in unserem Leben sein.  Darüber kann man nachdenken, wenn man inne hält, zur Ruhe kommt und den Reden lauscht z. B. am Volktrauertag.  
M. Henke      
 

 

Bild zur Meldung: Volkstrauertrag_13.11.22